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Autonomes Fahren: Level 5 in weiter Ferne?

Autonomes Fahren: Level 5 in weiter Ferne?

Warum wir auf Level 3 sind, wann Level 5 Realität wird und wie die Zukunft des autonomen Fahrens aussieht, erfahren Sie hier.

Bad Birnbach ist nicht gerade der Nabel der Welt. Über dem sanften Tal der Rott in der Region Landshut leben gerade einmal 5.777 Seelen. Neben der Rottal Terme, die jährlich etliche Kurgäste anlockt, hat der Ort allerdings seit einiger Zeit so etwas wie eine weitere Touristenattraktion. Im Linienverkehr wird hier seit dem 29. April 2017 der erste selbstfahrende Bus Deutschlands getestet. Mit einer Geschwindigkeit von 8 km/h fährt er täglich zwischen 8 und 18 Uhr 30 Mal die 700 Meter lange Teststrecke ab. Aus Sicherheitsgründen befindet sich während des Testbetriebs ein Fahrtbegleiter im Fahrzeug, der gegebenenfalls eingreifen und das Fahrzeug händisch steuern kann.

Böse Zungen könnten meinen, das größte Risiko im Testbetrieb sei eben jener Fahrbegleiter. Schließlich führt der Mensch nicht nur zu einem Großteil der Verkehrsbehinderungen, sondern auch zu 90 Prozent aller tödlichen Unfälle. Automatisch und vernetzte Systeme hingegen sind in der Lage eine schier unbegrenzte Menge an Daten zu verarbeiten, was neben einer optimierten Fahrweise und Routenführung auch ein Mehr an Sicherheit bewirkt. Schon jetzt schützen diverse Assistenzsysteme zunehmend Fahrer und andere Verkehrsteilnehmer.

Der Markt für autonome Fahrzeuge wird für 2019 weltweit auf etwa 54,23 Milliarden US-Dollar geschätzt und soll bis 2026 auf 556,67 Milliarden US-Dollar anwachsen. Das entspricht einer jährlichen Wachstumsrate von nahezu 40 Prozent.

Die 5 Level des autonomen Fahrens

Auch wenn der Bad Birnbacher Bus noch nur 8 km/h fährt – die Zukunft kommt angerast. Immerhin wurden selbst bis zu diesem (Auto-)Pilotversuch schon wichtige Hürden genommen. Die SAE International spricht von einem 5-stufigen Modell des autonomen Fahrens, welches inzwischen auch von Expertenkreisen adaptiert wurde:

Stufe 1 – Assistiertes Fahren 

Assistenzfunktionen wie Tempomat oder Spurhalteassistent unterstützen den Fahrer. Dieser beherrscht aber zu jeder Zeit sein Fahrzeug und muss den Verkehr stets im Blick haben.

Stufe 2 – Teilautomatisiertes Fahren

In spezifischen vorher fest definierten Rahmenbedingungen kann das System manche Aufgaben zeitweilig selbst ausführen. Der Fahrer kann nun schon kurzzeitig die Hand vom Steuer nehmen, er muss aber stets die Assistenzsysteme überwachen und Fehlfunktionen ggf. korrigieren.

Stufe 3 – Hochautomatisiertes Fahren

Hochautomatisierte Fahrzeuge können bestimmte Fahraufgaben selbständig und ohne menschlichen Eingriff bewältigen. Das Fahrzeug erkennt selbstständig und frühzeitig, wann der Fahrer übernehmen muss und macht ihn mit Zeitvorlauf darauf aufmerksam.

Stufe 3 ist dabei gleichbedeutend mit dem aktuellen Stand der Technik. So verfügen einige Autos schon heute über einen Stauassistenten, der auf Autobahnen bis zu Geschwindigkeiten von 60 km/h übernehmen kann. 

Stufe 4 – Vollautomatisiertes Fahren

Auf Level 4 wird der Fahrer zum Passagier, der nur noch in Ausnahmefällen das Steuer übernimmt. Einfache Fahrten kann das Fahrzeug sogar komplett ohne Insassen ausführen. Sieht sich das Fahrzeug einer zu komplexen Verkehrssituation ausgesetzt, muss nicht zwangsläufig der Fahrer übernehmen. Alternativ kann das Fahrzeug einen sicheren Zustand erreichen und einen Parkplatz aufsuchen. Laut einer Studie von McKinsey könnten bis 2030 potenziell 15 Prozent der Neuwagen hoch- oder vollautomatisiert sein.

Stufe 5 – Autonomes Fahren

Willkommen in der Zukunft, hier ein mögliches Szenario: Autos bewältigen selbst komplexeste Verkehrssituationen. Lenkräder und Pedale gehören der Vergangenheit an oder kommen nur bei Bedarf zum Vorschein. Autonome Taxiflotten durchqueren die Straßen der Smart Cities. Für längere Reisen werden Autos zu Büros, Heimkinos oder Schlafstätten umfunktioniert.

Kostenlose Metastudie zur Mobilität von morgen: Die Ergebnisse der relevantesten Studien rund um die Mobilität von morgen sind in dieser Metastudie zusammengefasst. Hier können Sie sich einen Überblick über prognostizierte Veränderungen im Bereich autonomes Fahren und den anstehenden Herausforderungen der Industrie verschaffen.

Hürde #1: Die technischen Herausforderungen

Bis selbstfahrende Autos (Level 5) Realität sind, wird wohl noch viel Wasser die Rott hinabfließen, denn dem stehe nicht nur die so häufig erwähnten regulatorischen Hürden im Weg. Auch technisch gilt es noch einiges zu lösen, wobei Künstliche Intelligenz eine herausragende Rolle spielt. Während klassische Automobilbauer noch dabei sind, Kompetenzen zu entwickeln, stehen die großen Tech-Konzerne wie Apple oder Google schon bereit: Sie möchten ihre Vormachtstellung in diesem Bereich nutzen und so im Automobilsektor Fuß fassen. Der Wettbewerb zumindest ist schon in vollem Gange und dient als treibende Kraft für eine schnellere Entwicklung. So blies auch VW-Chef Diess unlängst ins Horn und forderte „einen Radikalumbau des Konzerns“ und „Volkswagen vom Automobilkonzern zum digitalen Tech-Konzern zu machen.“

Hürde #2: Gesetze bremsen das nächste Level autonomen Fahrens aus

Wenngleich bereits mit Hochdruck an der Entwicklung hin zu Level 4 gearbeitet wird, ist die Gesetzgebung noch nicht in allen Ländern soweit. So fehlt der rechtliche Rahmen beispielsweise auch in Deutschland noch: Nachdem erst 2017 angepassten Straßenverkehrsgesetz heißt es hierzu in § 1a: „Der Betrieb eines Kraftfahrzeugs mittels hoch- oder vollautomatisierter Fahrfunktion ist zulässig, wenn die Funktion bestimmungsgemäß verwendet wird.“ Ein kurzes Schläfchen, wie es eigentlich beim vollautomatisierten Fahren möglich sein sollte, schließt der Gesetzgeber in § 1b jedoch aus. Demnach ist der Fahrzeugführer verpflichtet, „die Fahrzeugsteuerung unverzüglich wieder zu übernehmen, wenn das hoch- oder vollautomatisierte System ihn dazu auffordert oder wenn er erkennt oder aufgrund offensichtlicher Umstände erkennen muss, dass die Voraussetzungen für eine bestimmungsgemäße Verwendung der hoch- oder vollautomatisierten Fahrfunktionen nicht mehr vorliegen.

Um nicht vom Fortschritt überholt zu werden, will die Bundesregierung nun aber aktiv werden und zumindest im Rahmen von Experimentierklauseln oder Ausnahmeregelungen bis Ende 2021 ein rechtlich abgesichertes Fahren mit Level 4 und 5 im öffentlichen Raum ermöglichen.

Hürde #3: Ethische Probleme: Wie löst ein autonom fahrendes Auto ein Dilemma?

Das autonome Fahren auf Level 5 bringt neben Versprechen an Komfort und Sicherheit einige Problemstellungen, die zunächst geklärt werden müssen. Insbesondere Dilemma-Situation werden dabei oft diskutiert. Die Ethik-Kommission „Automatisiertes und Vernetztes Fahren“ beschäftigt sich in ihrem Bericht von Juni 2017 ausgiebig damit. Folgendes Beispiel dient dabei zur Veranschaulichung:

Der Fahrer eines Wagens fährt eine Straße am Hang entlang. Der vollautomatisierte Wagen erkennt, dass auf der Straße mehrere Kinder spielen. Ein eigenverantwortlicher Fahrer hätte jetzt die Wahl, sich selbst das Leben zu nehmen, indem er über die Klippe fährt oder den Tod der Kinder in Kauf zu nehmen, indem er auf die im Straßenraum spielenden Kinder zusteuert. Bei einem vollautomatisierten Auto müsste der Programmierer oder die selbstlernende Maschine entscheiden, wie diese Situation geregelt werden soll.

Logisch: Einen befriedigenden Ausweg hat die Ethik-Kommission nicht gefunden. Während normalerweise in so einer Situation ein Fahrer intuitiv entscheiden müsste, seinen eigenen Tod in Kauf zu nehmen oder eben nicht, liegt die Verantwortung nun beim Programmierer. 

Konsequent weitergedacht, wäre der Mensch in existentiellen Lebenssituationen nicht mehr selbst-, sondern vielmehr fremdbestimmt.“ – Ethik Kommission

Eine kleine Hintertür lässt die Kommission allerdings offen: „Die Technik muss nach ihrem jeweiligen Stand so ausgelegt sein, dass kritische Situationen gar nicht erst entstehen.“ Ein Szenario, welches bei höherem Tempo vermutlich erst möglich sein kann, wenn alle Verkehrsteilnehmer dem Fahrzeug kontinuierlich Daten zur Voraussicht liefern.

Hürde #4: Angst vor dem nächsten Level des autonomen Fahrens

Neben ethischen Problemen fehlt es dem autonomen Fahren allerdings auch an gesellschaftlicher Akzeptanz. Einer Umfrage aus dem Jahr 2019 zufolge rief der Gedanke an fahrerlose Autos in Deutschland bei rund 30 Prozent der Befragten eher negative Emotionen hervor; international assoziierten etwa 48 Prozent aller Teilnehmer diese Fahrzeuge gar mit Angst.

Skepsis selbstfahrenden Systemen gegenüber gab es allerdings auch schon in der Vergangenheit, und zwar bei einem der sichersten und intensiv genutzten Massentransportmittel der Welt – dem Lift. Das autonome Fahren könnte also schnell ebenso selbstverständlich werden.

Dennoch: Die Zukunft und Level 5 des autonomen Fahrens kommt

Gesetzgeber und Wirtschaft arbeiten mit Hochdruck an einer Welt des autonomen Fahrens, die schon kurz vor dem Durchbruch stehen könnte „Wir brauchen die gemeinsame Einsicht in die Radikalität des Wandels. Und in die Kürze der Zeit.“, mahnt auch Diess ein schnelles Weichenstellen Richtung Zukunft an, um nicht zum „Industriedenkmal“ zu werden. 

In Bad Birnbach hat es der autonome Bus mittlerweile von seiner ursprünglichen Teststrecke zwar noch nicht auf die Autobahn, immerhin aber schon auf die Landstraße geschafft. Die Zukunft nimmt Fahrt auf. Bis dahin können Sie sich in unserer Metastudie „Die Mobilität von morgen: eine Herausforderung für die Automobilindustrie“ zu aktuellen Studienergebnissen informieren.

Redaktion Salesforce Deutschland

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