Als ich kurz nach 23:00 Uhr die Haustür aufschließe, fühle ich mich wie einmal durch den Fleischwolf gedreht. Nein, ich komme nicht aus dem Büro, zumindest nicht direkt: Kurz nach 18:30 Uhr habe ich den Rechner runtergefahren und bin los – zu meinem ersten Dienst in der Bahnhofsmission München auf Gleis 11.

Bahnhofsmission
Brot, Tee, Haushalt

Unter der Anleitung von anderen Ehrenamtlichen habe ich unzählige Margarine- und Schmalzbrote ausgegeben – ebenso wie an die 50 Liter Tee und Wasser. Zudem habe ich Brote geschmiert, Tee gekocht, den Müll weggebracht, einem Blinden beim Umsteigen geholfen und nicht zuletzt aufgeräumt und geputzt. Wobei ich mir erst mal eine Putztechnik habe zeigen lassen, bei der man den Dreck nicht nur gleichmäßig verschmiert …

Hilfe in und für jede Lebenslage

Drei andere erfahrene Kollegen haben in der Abendschicht von 19:00 bis 22:00 Uhr viele Gäste anderweitig „versorgt“ – die Anliegen reichten von „Wo kann ich heute Nacht schlafen?“ über Unterstützung beim Ausfüllen irgendwelcher Formulare bis hin zur Rückführung von Menschen in ihr Herkunftsland, die hier in München erfolglos versucht hatten, Arbeit und ein neues Zuhause zu finden. Doch die Bahnhofsmission leistet noch viel mehr, worüber ich in einem eigenen Blogpost erzählen möchte.

1-1-1-Modell

Heute geht es allein darum, warum ich das denn mache – nach einem Zehnstundenbürotag noch eine Abendschicht in der Bahnhofsmission München? Plakativ formuliert: Weil Marc Benioff das so will. Unser Gründer und CEO hat bei salesforce.com das 1-1-1-Modell „implementiert“ oder sagen wir besser die salesforce.com Foundation ins Leben gerufen. Somit gilt folgende 1-Prozent-Regel: 1 Prozent an Zeit, 1 Prozent an Produkten und 1 Prozent an Kapital fließt in soziale Organisationen respektive soziale Projekte.

So kommt es, dass jeder Mitarbeiter sechs bezahlte freie Tage pro Jahr bekommt, an denen er sich gemeinnützig betätigen soll. Unsere amerikanischen Kollegen haben Ende Juli auf ihrem Blog gemeldet, dass weltweit von den Salesforcern in diesem Jahr bereits 500.000 Stunden Ehrenamt geleistet wurden – und da sind meine drei Stunden von heute Abend noch gar nicht mit dabei.

Was im Leben wirklich wichtig ist

Nach der Erläuterung des 1-1-1-Models ist hoffentlich klar geworden: Selbstverständlich hat mich Marc Benioff nicht in die Bahnhofsmission München geschickt. Nein, ich hätte mir auch eine Kindertagesstätte oder ein Altenheim als Einsatzort aussuchen oder wie meine Kollegen beim Hochwasser im Juni Sandsäcke schleppen können. Die Bahnhofsmission habe ich deshalb ausgewählt, weil eine gute Freundin von mir dort seit vielen Jahren ehrenamtlich arbeitet. Nach ihrer Motivation gefragt, sagt sie, dass ihr der Dienst in der Bahnhofsmission zeigt, was im Leben wirklich wichtig ist. Das konnte ich bisher nicht recht nachvollziehen. Jetzt schon.